Einmal im Rollstuhl durch den Europa-Park rollen? Warum eigentlich nicht? Auch wenn es sich zunächst wie eine Schnapsidee anhört, sich mit Handicap freiwillig in das Reich von XXL-Achterbahnen, fliegenden Da-Vinci-Gefährten und wirbelnden Kaffeetassen zu begeben. Denn die meisten Fahrgeschäfte sind für Menschen mit Gehbehinderung grundsätzlich ungeeignet. Die Gründe halte ich für verständlich: Wer im Rollstuhl sitzt, ist oft auch im Bereich des Oberkörpers eingeschränkt, kann sich vielleicht nicht so gut mit den Händen festhalten oder ist im Rumpf nicht so stabil wie andere. Schwer abzuschätzen, was Fliehkräfte und eine heftige Beschleunigung dann mit einem machen. Und im Notfall sollte man einfach auch in der Lage sein, Evakuierungstreppen zu nutzen.

Der TÜV untersagt bei den großen Attraktionen deswegen von vornherein, Menschen mit Gehbehinderung oder Blinde mitzunehmen. Das gilt im Europa-Park für alle spektakulären Bahnen wie Abenteuer Atlantis, Alpenexpress, Arthur, Atlantica Supersplash, Bluefire Megacoater, Euro-Mir, Eurosat, Fjord Rafting, Fluch der Kassandra, Geisterschloss, Matterhorn-Blitz, Pegasus, Piraten in Batavia, Poseidon, Schweizer Bobbahn, Silver Star, Volo da Vinci, Wildwasserbahn und natürlich die Holzachterbahn Wodan-Timburcoaster.
Ein Besuch im Freizeitpark also ohne die Option, Achterbahn zu fahren? Aber ja! Denn der Europa-Park ist viel mehr als eine Ansammlung von Fahrgeschäften. Die Themenbereiche mit den europäischen Ländern sind bis ins Detail ausgestaltet. Mir gefällt dabei immer der alte Teil mit Frankreich, Italien und Schweiz besonders gut. Da ist beispielsweise eine Zeile elsässischer Fachwerkhäuser aufgebaut – ein Gefühl wie in La Petite France.
Ganz Europa an einem Tag
Wer weiß, wie aufwendig das Reisen im Rollstuhl sonst ist, wird es genießen, unkompliziert an einem einzigen Tag von einem europäischen Land ins nächste zu rollen. Neben Gebäudeensembles mit vielen liebevollen architektonischen Details gibt es auch das passende Angebot landestypischer Cafés, Bars und Restaurants: Pizza und Eis in Italien, Raclette in der Schweiz oder dicke holländische Pommes mit „Joppiesauce“. Hier ein Überblick.
Schwebend das Gelände umrunden
Mit dem EP-Express, einer eingleisigen Bahn in luftiger Höhe, lässt sich das ganze Gelände mühelos erschließen. Im hintersten Wagen jedes Zuges befindet sich ein Abteil für Kinderwägen und Rollstühle, in das man einfach einrollen kann. Die Bahnhöfe sind mit Aufzügen ausgestattet mit Ausnahme von Spanien. Dafür gibt es dort eine Rampe mit Ruhepunkten.
Apropos Rampe: Rollstuhlfahrer profitieren natürlich davon, dass der Europa-Park mitten in der Rheinebene liegt. Die meisten Wege sind mehr oder weniger eben und gut asphaltiert. Trotzdem ist ein Besuch mit Begleitung eine Erleichterung. Denn der Park ist groß, es gibt immer wieder Rampen und manchmal auch gepflasterte Bereiche wie im Walliser Dorf oder in Spanien. Doch im Zweifelsfall kann man auch als Rolli-Single im Europa-Park sicher sein, dass immer genügend andere Besucher da sind, die gerne mal Anschubhilfe leisten.

Auf einem Kutter ins Reich der Wale
Es gibt übrigens genau ein Fahrgeschäft für Rollstuhlfahrer: Das sind die Whale Adventures im isländischen Themenbereich. Auf kleinen Fischkuttern geht es durchs arktische Meer vorbei an Papageientauchern und Walrössern. Doch das eigentlich Spannende: Die Boote sind mit Wasserkanonen ausgestattet, von denen auch einige am Ufer stehen. Feuer frei also für eine vergnügliche Wasserschlacht zwischen Land- und Wasserratten.
Ein Kutter der Flotte ist mit einer Plattform für Rollstuhlfahrer ausgestattet. Dazu den separaten Rollstuhl-Eingang nehmen. Falls die Tür geschlossen ist, gibt es eine Klingel. Die Parkmitarbeiter sind dann beim Einstieg behilflich. Und der ist unproblematisch. Wenn die Reling geöffnet ist, kann man einfach draufrollen, dann Bremsen anziehen. Doch Achtung: Als Rollstuhlfahrer wird man durch die erhöhte Position zum beliebten Kanonenfutter, bei kühlerem Wetter kann eine Regenjacke nicht schaden.
Die Whale Adventures sind übrigens gleich gegenüber des Eingangs zur Holzachterbahn Wodan-Timburcoaster – also der Attraktion des Parks, bei der die Wartezeiten mit am längsten sein dürften. Eine schöne Gelegenheit für Rollstuhlfahrer, sich zu amüsieren, während die anderen in der Timburcoaster-Schlange stehen.
Mit Fußgängern unterwegs
Damit wäre ich auch schon beim nächsten Thema: Wie lassen sich die Interessen von Fußgängern und Rollstuhlfahrern im Europa-Park am besten unter einen Hut bringen, wenn man mit Familie oder Freunden unterwegs ist? Klar, dass die meisten vor allem auf die Fahrgeschäfte heiß sind. Es gibt da drei verschiedene Strategien. Die einfachste lautet: einfach warten. Ihr könnt sicher sein, ihr seid da in guter Gesellschaft. Denn es gibt in einer Gruppe immer jemanden, der niemals freiwillig Achterbahn fahren würde und stattdessen lieber Rucksäcke hütet oder das Foto-Shooting übernimmt. An jeder Achterbahn bilden sich so kleine Grüppchen von Wartenden. Da ist man schnell im Gespräch – und hat internationale Ansprechpartner. Bei mir war es ein Vater aus Österreich und eine Mutter aus Belgien – und wenn ich besser Französisch könnte, hätte sich bestimmt noch mehr ergeben.
Natürlich kann man sich auch einfach ins nächste Restaurant setzen, Leute beobachten und sich etwas Gutes gönnen. Von der Terrasse der Taverna Mykonos im griechischen Viertel hat man einen schönen Blick auf die Poseidon-Bahn. Wer bei der Eurosat wartet, darf sich im Bistro La Cigale bei einer Quiche Lorraine oder einem Café au lait wie in Lyon fühlen.

Tolle Shows statt Achterbahn
Trotzdem: Die Wartezeiten können sich im Lauf des Tages summieren. Spätestens bei der dritten Achterbahn wird es langweilig. Um das zu vermeiden, empfehle ich Plan B: Der Europa-Park bietet nämlich eine ganze Reihe hochkarätiger Shows – Akrobatik, Theater, Tanz, Varieté oder Ritterspiele. Im Zuschauerraum der Veranstaltungsorte sind für Rollstuhlfahrer immer extra Plätze ausgewiesen, beim Globe Theater und Teatro dell’Arte dazu den Seiteneingang benutzen.
Vorsicht übrigens beim Historama-Drehtheater. Da geht es direkt nach der Eingangstür ziemlich abschüssig nach unten. Das hat meine Begleitung und mich kalt erwischt. Wir konnten den Rollstuhl gerade noch ausbremsen. Man steht dann auch während der Vorstellung abschüssig. Das muss man mögen. Der Europa-Park hat übrigens schon darauf reagiert und will intern nachhaken, ob sich da etwas verbessern lässt – eine kleine Plattform für Rollstuhlfahrer oder ein Hinweisschild beispielsweise.
Das Showprogramm variiert von Tag zu Tag. Deswegen lohnt es sich, ein bisschen zu planen. Am Eingang des Parks ist immer der aktuelle Plan erhältlich. Oder man kann sich vor der Anreise auf dem Parkplan im Internet schon einmal schlau machen, was wann wo stattfindet. Unter dem Menüpunkt „Ziele“ einfach „Show“ anwählen, dann erscheinen alle Shows mit Infos und Uhrzeit. Im Europa-Park selbst zeigen große Infotafeln das Programm des Tages.

Rosen, Wasserspiele, alte Bäume
Plan C: Sich einfach mal für ein oder zwei Stunden ausklinken und gemütlich durch die verwunschene Gartenwelt im Park von Schloss Balthasar flanieren. Vielleicht findet sich unter den anderen ja noch jemand, der Lust auf einen Spaziergang hat. Der Europa-Park tut jede Menge für schön gestaltete Beete, da blüht es immer. Außerdem gibt es im Schlosspark Wasserspiele, ein Rosarium und viele alte Bäume zu entdecken.
Fotos mit freundlicher Genehmigung der Europa-Park Mack KG
Steckbrief: Europa-Park Rust
- Tickets: Rollstuhlfahrer mit dem Merkzeichen „aG“ oder sehbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen „BI“ haben freien Eintritt. Ansonsten erhalten Menschen mit Handicap gegen Vorlage des Schwerbehinderten-Ausweises den ermäßigten Sondertarif. Mit einem „B“ im Schwerbehindertenausweis ist der Eintritt auch für die Begleitperson ermäßigt.
- Behindertenparkplätze im vorderen Teil des Parkplatz-Areals. Mit dem Vermerk „BI“ oder „aG“ im Schwerbehindertenausweis entfällt die Gebühr fürs Parken. Das kostenlose Ausfahrtsticket ist an der Information am Haupteingang erhältlich.
- Ganz rechts am Haupteingang, gleich bei der Information, ist ein Einlass für Kinderwägen und Rollstuhlfahrer. Dort sind das Faltblatt mit dem wichtigsten Infos für den Besuch mit Rollstuhl sowie der Parkplan mit integriertem Showplan erhältlich.
- Toiletten: Eine rollstuhlgerechte Toilette findet sich außen gleich vor dem Haupteingang, weitere Standorte im Park selbst sind in der Deutschen Allee, Italien, Russland, Holland und in Island im Monorail-Bahnhof. Außerdem in der Gazprom-Erlebniswelt sowie bei den Minimoys in der Nähe der Indoor-Attraktion Arthur.
- Öffentliche Verkehrsmittel: Mit dem Zug bis Bahnhof Ringsheim. Abgestimmt auf Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Züge gibt es einen Bustransfer zu den Bushaltestellen Europa-Park Rust und Europa-Park Hotel Resort. 80 Prozent der Busse haben eine Rampe für Rollstuhlfahrer. Wer sicher gehen will, kann sich am Vortag beim Busbetreiber Rist Reisen (Kenzingen) erkundigen:
☏ 07644/227. - Weitere Informationen für Besucher mit Behinderung auf der Website des Europa-Park.
Wie wäre es mit einem Ausflug in den Schwarzwald?
naturparkschwarzwald.de/aktiv_unterwegs/barrierefrei/
Schade, dass ich als Rollifahrer nichts fahren darf. Ich sitze zwar im Rollstuhl, aber wenn mir jemand hilft in die Achterbahn einzusteigen habe ich keinerlei Probleme so etwas zu fahren da ich ja auch noch Gefühle im unterkörper habe. Find ich jetzt schon sehr traurig und diskriminierend.
LG aus München.
Und vlt kann man da doch noch was machen